Tagebuch Tunesien 1. - 23.4.2005






Freitag, 1.4.2005, München

Treffpunkt Autobahnraststätte Vaterstetten, 17 Uhr. Mit dabei sind: Die Honda Africa Twin Fahrer Jörg, Stephan, RD07-Bernd, Steffen, Uli und ich, sowie LC8-Bernd (KTM LC8). Es fehlt Frank (Suzuki DR350), der lieber auf eigenen Wegen nach Genua fährt.

Das Verladen der sieben Motorräder auf den Hänger unseres Transporteurs Bike-In-A-Box, ca. eineinhalb Stunden, läuft professionell, der Fahrer ist selber Biker. Die Fahrt nach Genua, Autobahn via Brenner, ist bequem und unterhaltsam. Nach einem Abendessen im Wipptaler Hof ist dann schlafen angesagt. Um vier Uhr sind wir kurz vor Genua und parken noch einige Stunden auf einem Rastplatz.


Samstag, 2.4.2005, Genua

Kaum haben wir die Motorräder im Hafen von Genua abgeladen, kommt überraschend mein Bekannter Wolfgang um die Ecke. Er ist mit einer Gruppe aus der Pfalz unterwegs. Wir tauschen Handynummern und sind uns sicher, dass wir uns in den nächsten drei Wochen öfter über den Weg laufen werden. Tunesien ist klein, und die spezial places sind ja wohl bekannt...

Frühstück in einem Cafe am Meer etwas außerhalb der Stadt. Um zwölf, wieder im Hafen, ist auch Frank angekommen. Ab jetzt heißt es warten, warten, warten. Irgendjemand lässt einen Spruch los, den sich alle Arabien-Reisenden einprägen sollten: „Als Allah die Zeit schuf, schuf er sie reichlich“. Die Fähre nach Tunis (Cartharge, CTN) ist pünktlich da, aber das Verladen (überwiegend Safari-Urlauber mit Geländewagen) dauert, und die Motorräder sind als letztes dran. Zeit, den ein oder anderen Schwatz mit anderen Motorradreisenden zu halten. Um halb sieben geht’s dann endlich bei ruhigem sonnigen Wetter los. Abendessen, ein bisschen Bier und Rotwein kippen, Fernsehen gucken (der Papst ist gerade gestorben, Harald Juhnke auch).


Sonntag, 3.4.2005 , Tunis – Nabeul, 71km

Der Morgen ist kalt und regnerisch mit ordentlichem Seegang. LC8-Bernd und Stephan bekommt das überhaupt nicht. Dem Rest ist langweilig. Die Fähre ist um halb zwei überpünktlich da. Beim Entladen nutzen wir unseren Baubreitenvorteil, drängeln uns an den Autos vorbei, sind am Zoll die ersten und entsprechend schnell mit den Formalitäten fertig. Ab jetzt begleitet uns auch Roland („Roli“, KTM LC4), ein Alleinreisender, der sich auf der Fähre mit Frank angefreundet hat. Auf der Fahrt nach Nabeul ist es weiterhin windig, kalt und regnerisch. Afrika stellt man sich anders vor.

Einchecken im Hotel „Jasmin": Zunächst sagt man uns, es gäbe nur drei 3er-Zimmer, obwohl wirs gerne etwas intimer gehabt hätten. Als sich dann aber ein Zimmer als dreckig und nicht hergerichtet herausstellt, tauchen plötzlich noch ein Doppel- und ein Einzelzimmer auf. Den Tag beschliessen wir mit einem leckeren Abendessen und einigem Alkohol im Hotelrestaurant.


Montag, 4.4.2005, Nabeul – Tozeur, 416km

Ferneisetag. Gibt nicht viel zu berichten. Die ersten paar Kilometer Autobahn, dann lange abwechslungslose Landstrassen, ein akzeptables Mittagessen in einer Garküche am Straßenrand. Das Wetter ist zunächst weiterhin kalt und windig (zu hause, so sagt mir eine SMS, hats Sonne und 25°), aber trocken. Ab Gafsa, mit Beginn der Sahara, wird’s dann angenehm warm. In Tozeur, unserem Tagesziel, suchen wir auf Empfehlung unseres Reiseführers („Reise-Know-How Tunesien") das Hotel „Residence Warda". Sehr einfach, etwas düstere Zimmer, aber sauber und sehr freundliches Personal, auf halber Strecke zwischen der Medina und der Zone Touristique gelegen.

Nach über vierhundert Asphaltkilometern, drehen wir vor Sonnenuntergang noch schnell eine erste Runde durch den Sand außerhalb der Stadt.


Dienstag, 5.4.2005, Tozeur, 40km

Ein rabenschwarzer Tag. Nicht, was das Wetter anbelangt (windig, aber warm und sonnig), sondern wegen der Ereignisse, die noch folgen sollten.

Wir wollen zu einem Dünengelände, einige Kilometer westlich von Tozeur, in dessen Umfeld Kulissen für die Star-Wars-Filme der 70er und 80er Jahre stehen. Zunächst über versandete Pisten und Kamelgrasfelder. Nach einigen Verfahrern (auch GPS sind nicht narrensicher), landen wir an einem kleinen See, um den LC8-Bernd und ich eine schnelle Runde drehen wollen. Blöderweise hat der See einen Abflußgraben, gut verborgen unter Grasbüscheln. Den sieht Bernd zu spät, donnert mit schätzungsweise 60 rein und überschlägt sich etliche Male. Wie ich hinkomme, meint er, das Schlüsselbein ... Nach einigen Minuten ist er wieder fahrfähig (am Moped ist nur der Blinker ab). Wir brechen das Unternehmen erst mal ab und fahren zurück nach Tozeur, wo Bernd gleich am Ortseingang direkt bei der Urgence einbiegt. Nach ner halben Stunde ist klar: Schlüsselbein, Splitterbruch. LC8-Bernd möchte dann lieber umgehend nach hause. RD07-Bernd und ich (wir sind die einzigen in der Gruppe, die einigermassen Französisch sprechen) bleiben mit LC8-Bernd im Hotel, der Rest macht einen zweiten Versuch das Star-Wars-Gebiet zu erreichen.

LC8-Bernd telefoniert mehrfach mit dem ADAC, bei dem es wohl einiges an Überzeugungsarbeit braucht, um klarzustellen, dass heute nach hause tatsächlich heute und tatsächlich nach hause bedeutet. Am Ende geht es so aus, dass wir in Tozeur das Moped auf einen Pickup verladen und einen Flug nach Tunis organisieren, wo Bernd noch am selben Abend von einem Agenten in Empfang genommen werden soll, der sich um alles weitere kümmert (insbesondere muß das Moped aus dem Pass ausgetragen werden, sonst kann man das Land nicht verlassen). Anschliessend machen wir drei einen kleinen Stadtbummel. Neben meinem Bekannten Wolfgang (wie gesagt, Tunesien ist klein) begegnet uns noch mehrfach der Pickup mit Bernds LC8. Immer hält der Fahrer vor irgendeinem mit der tunesischen Flagge geschmückten Gebäude, sprintet mit vielen Formularen in der Hand rein und kommt kurz danach, wahrscheinlich um einige Stempel reicher und um einige Dinar ärmer, wieder raus. Die arabische Bürokratie ist schon was besonderes. Schließlich verabschieden wir unseren Verletzten ins Taxi Richtung Flughafen Tozeur.

Kurz danach kommt die Star-Wars-Truppe zurück. Uli humpelt ganz heftig, das Moped ist auch etwas angekratzt. Den Erzählungen nach hat er die Durchfahrt zwischen zwei Dünen verpasst, ist die rechte Düne hochgeschossen, und hat sich auf der rückwärtigen Steilseite runterüberschlagen.

Das Abendessen, an dem Uli bewegungsunfähig dann gar nicht mehr teilnimmt, verläuft in ziemlich gedrückter Stimmung. Morgen werden wir wohl der Urgence unseren zweiten Besuch abstatten müssen. – 9 kleine Negelein ... aber die dezimieren sich normalerweise immer nur um einen pro Tag!

PS: Wenn ich in Zukunft Bernd sage, ist RD07-Bernd gemeint, LC8-Bernd ist ja auf dem Weg nach hause :-(


Mittwoch, 6.4.2005, Tozeur

Während der Rest am Vormittag die alte Rommel-Piste in die Berge nach Tamerza fahren will, nehme ich mir mit Uli ein Taxi zur Urgence. Der erste Arzt, der Ulis blaue Flecken und Blutergüsse sieht, beordert gleich mal einen Rollstuhl bei, so dass Uli zu den einzelnen Stationen der etwa einstündigen Prozedur (Röntgen und eingehende Untersuchung durch mehrere Spezialisten) hin- und hergeschoben wird. Soweit ich nicht direkt übersetzen oder fiches ausfüllen muß, vertreibe ich mir die Zeit damit, einer Ärztin medizinische Fachbegriffe aus dem Französischen ins Deutsche zu übersetzen. Sie macht sich eifrig Notizen, offensichtlich haben sie häufiger „Kunden“ aus unserem Land. Außerdem noch ein nettes Gespräch mit einer jungen Krankenschwester, die mich nach einigen Minuten dann auch schon fragt, wie das wohl mit meiner Familie aussähe, ob die mit dabei oder daheim geblieben wäre. Ich grins mir einen und kläre sie über meinen Familienstand lieber nicht auf. Bestimmt kommt ihr eines Tages mal ein alter kranker Millionär aus Amiland in die Finger, da hat sie mehr von... Von Ulis rechtem Bein machen sie gleich ein halbes Dutzend Röntgenaufnahmen. Er hatte vor vielen Jahren einen schweren Unfall und ist nach allen Regeln der Metzgerskunst wieder zusammengeflickt worden. Das ist heute noch auf den Röntgenaufnahmen zu sehen und wird von mehreren „specialistes“ eifrigst studiert und debattiert. – Das Ergebnis: Nix gebrochen, nix gerissen, aber 10(!) Tage kein Moped.

Die Tamerza-Fahrer („2-Stunden-Ausflug“) tauchen den ganzen Nachmittag nicht wieder auf, uns schwant schon übles. Also machen wirs uns im Hotelhof gemütlich, plaudern ein bischen, ich fange an, dieses Tagebuch zu schreiben...

Gegen sechs Uhr ist endlich der Rest wieder da, gottseidank unversehrt, bis auf einige Risse in Steffens Verkleidung. Die Rommelpiste war nicht der Bringer, und auf der Rückfahrt von Tamerza hat rechter Hand das Ufer des Chott el Gharsa zu einem kleinen Ausflug eingeladen. Nur war das so tiefsandig und teilweise feucht, dass aus dem kurzen Ausflug wider Erwarten mehrere Stunden geworden sind.

Uli wird einige (aber sicher nicht zehn) Tage in Tozeur bleiben, und der Rest beschliesst, morgen auf der nördlichen Uferpiste des Chott el Jerid, eines vertrockneten Salzsees östlich Touzeur, nach Douz zu fahren. Dort wollen wir für einige Tage neue Herausforderungen im Süden suchen (Mt. Tembain, Roter See), anschließend holen wir Uli in Tozeur ab.


Donnerstag, 7.4.2005, Tozeur – Douz, 170km, Ausflug ab Douz, 120km

Während wir uns zur Abfahrt vorbereiten, hat Uli sich’s anders überlegt, und will jetzt einen Pickup organisieren, der ihn und sein Moped zur Fähre morgen in Tunis bringen soll. We’ll see. – Um zehn Uhr verlassen wir Tozeur zu siebt, biegen eine halbe Stunde später kurz vor Erreichen des asphaltierten Dammes durch den Chott nach Norden ab und finden problemlos die Ufer-Piste. Läßt sich flott fahren, einige Oued-Durchfahrten (ausgetrocknete Flussbetten), kaum Sandlöcher, überwiedgend fester Lehm (ich möchte das Ding aber nicht nach Regen fahren). Nach eineinhalb Stunden mit etlichen Fotopausen erreichen wir nördlich des Chott el Fejaj wieder Asphalt und sind um zwei Uhr in Douz.

Ich mag dieses Städtchen am Rande der Wüste, Douz ist mir noch von meinem letzten Tunesienaufenthalt in angenehmster Erinnerung. Hat irgendwas von Schwarzafrika: lebendig, laut, dreckig (heute war Markttag und die Überreste türmen sich in den Straßen), aber unheimlich locker. Die freundlichsten Menschen in Tunesien überhaupt. Irgendwo habe ich gelesen, dass die meisten Einwohner von ehemaligen schwarzafrikanischen Sklaven abstammen. Diese dunkelhäutigen Menschen prägen das Straßenbild und verstärken den Gesamteindruck noch.

Wir landen im Hotel „Bel Habib“, schmeißen unser Gepäck in die Zimmer, ziehen noch schnell ein paar Baguettes an einem Straßenstand rein, und auf geht’s zur sog. Sandrosenpiste. – Sandrosen sind bizarre Gebilde von Fingernagel- bis Fußballgröße, die entstehen, wenn kalkhaltiges Wasser aus dem Boden aufsteigt, verdunstet und auskristallisiert. Westlich von Douz ist eine Fundstelle für diese beliebten Souvenirs beschrieben. – Bei El Farouar biegen wir nach Süden auf die Sandrosenpiste ab. Zunächst ignoriere ich den Ratschlag von Gerd, einem entgegenkommenden Motorradfahrer, nicht von der Piste abzuweichen. Außerhalb gäbe es giftigen Fech-Fech (feiner Tiefsand), er selber sei zweimal gestürzt. Letzteres bleibt mir zwar zunächst erspart, dafür grabe ich mich so tief ein, dass wir die Kiste nur mit vereinten Kräften wieder freikriegen. Also ab in die tiefe verspurte Piste, ist etwas hakelig. Selbst unsere Profis Frank, Jörg und zuletzt Bernd legen sich ab. Irgendwann kriegt dann auch noch Bernds Benzinpumpe Aussetzter. Da es schon dämmert, und wir bis zu den Sandrosen noch rund 20km haben, entschließen wir uns, umzukehren. Bei mir läufts mit dem verspurten Sand jetzt ganz gut, so dass ein Dämpfer fällig wird, ich lege mich zwei mal satt ab. Außer ein paar Prellungen nix passiert. Aber es hat sich schon rentiert, dass ich mir vor der Reise kaputte gebrauchte Verkleidungsteile besorgt und montiert habe. Bei den Überschlägen ist einiges Plastik im Sand geblieben. Auf dem Rückweg halten wir noch kurz im Fahrerlager der Tunesienralley OPTIC2000, staunen und machen Fotos.

Später ruft Uli aus Tozeur an. Wie ich mir fast gedacht habe, hat er sich’s nochmal anders überlegt. Die kümmern sich im Hotel ganz rührend um ihn, haben ihm was zu lesen besorgt, aus dem Restaurant auf der anderen Strassenseite zu essen gebracht, eine Garage für sein Motorrad organisiert... Nix Fähre in Tunis, er bleibt jetzt erstmal doch in Tozeur.


Freitag, 8.4.2005, Douz (Cafe Porte du Desert), 90km

Heute steht die erste richtige Wüstenetappe auf dem Programm. Wir (zu sechst, ohne Stephan) wollen die sog. Dünenstrecke zur Oase Ksar Ghilane fahren. Der Name täuscht etwas, das sollen zunächst ca. 100km Piste sein und nur die letzten Kilometer bis Ghilane tatsächlich Dünen. Am Pisteneinstieg südlich von Douz sehen wir noch den Start der letzten Teilnehmer der OPTIC-Ralley und können uns vorstellen, wie zerwühlt unsere Strecke sein muß. Das zeigt sich auch gleich auf den ersten Kilometern. Lange verspurte Tiefsandabschnitte bewegen Roli dazu, aufzugeben und umzukehren. Mich erwischt es kurz danach zweimal hintereinander und ich entschließe mich, es ihm gleichzutun.

Auf dem Rückweg kommt mir Gerd entgegen, der FechFech-Warner von der Sandrosen-Piste, nebst Lebensgefährtin Daniela und mit meinem Kollegen Stephan im Schlepptau. Die drei überzeugen mich, es doch noch mal zu versuchen. Wir fahren sehr gemächlich und erreichen nach zwei Stunden (inkl. einer längeren sturzbedingten Reparatur an Gerds Yamaha Tenere) das Cafe „Porte du Desert“ auf halber Strecke nach Ksar Ghilane. Nach einer ausgiebigen Erfrischungspause fahren wir wieder nach Douz zurück. Die gemütliche Fahrweise tut meinem nach den beiden Stürzen vom Morgen angekratzten Selbstvertrauen gut.

Abends eine Überraschung, selbst im Nichts von Ksar Ghilane gibt es inzwischen eine „Handy-Düne“; SMS von Bernd: „Ksar Ghilane, 17:30, die Frisur sitzt. Haben schon gebadet und bleiben über Nacht. Keine besonderen Vorkommnisse. Viel Sand, Schweiß und Tränen. Ciao Bernd“


Samstag, 9.4.2005, Douz

Da wir die anderen vier erst gegen Mittag zurück erwarten, bleibt vormittags Zeit, allerlei Dinge zu erledigen. Für mich heißt das u.a. dieses Tagebuch weiterschreiben und Wäsche waschen. Letzteres besonders dringend, da mich neben dem obligatorischen Motorradfahrersonnenbrand (die einzigen ungeschützten Stellen: Nase und Handgelenke) auch ein verdächtiger Stich am Arm juckt. Besser das kleine Tierchen gleich aus der Wäsche vertreiben.

Am frühen Nachmittag kommt Jörg ins Hotel gestürzt, und verlangt nach allen Benzinkanistern, die aufzutreiben sind („Sag jetzt nichts, den Rest erzähl ich Dir nachher!“). Ich grins mir einen. Eine Stunde später ist die Mannschaft dann vollständig da. – Die Geschichte war ungefähr folgende: Die Fahrt auf der Piste nach Ksar Ghilane am Vortag war wegen vieler Sandverwehungen wie erwartet schwierig, aber nach drei Stunden zu 90% erledigt. Das letzte Stück, die Dünen, haben dann noch mal drei Stunden gedauert. Frank hat sich in dieser Passage den Ehrentitel eines H.F.A.T verdient („Helfer der Freunde der Africa Twin“). Er war mit seiner DR350 („Kinder-Motorrad“) der einzige, der gut durchkam, und ist dauernd von Baustelle zu Baustelle (=eingegrabene Twins) zum ausgraben helfen gefahren. Heute morgen dann die Pipeline-Piste Richtung Norden. Nach Bir Soltane wollten sie den Zwickel zwischen der Piste und der Verbindungsstraße Matmata-Douz abkürzen. Die auf der Karte eingezeichnete Strecke hat sich aber als einziges Dünenfeld herausgestellt. Und das hat am Ende noch mal so viel Sprit gekostet, dass Frank als erster liegen geblieben ist. Bernd hat noch versucht ihn abzuschleppen, ist aber auch nicht mehr weit gekommen. Also ist Jörg mit den meisten Reserven vorgefahren, um die anderen zu „retten“.

Der Nachmittag verläuft ruhig mit Bummeln, Internetcafe, Tee trinken... Wir essen im „Ali Baba“, kommen aber zu der Erkenntnis, dass das Restaurant im Hotel die bessere Wahl ist.

Später meldet sich Uli, unser Verletzter aus Tozeur. Er hat sich’s wieder anders überlegt, mit dem ADAC telefoniert, und ist jetzt guter Dinge, dass die ihn samt Moped nach hause bringen. Und so kommts dann am nächsten Tag auch. Also wieder einer weniger.

Nachts gibt’s nach einigen Tagen schönen Wetters einen heftigen Sandsturm, so dass der obligatorische Rotwein von der Dachterrasse des Hotels in den Aufenthaltsraum verlegt werden muß. Die pfälzer Reisegruppe mit meinem Bekannten Wolfgang - sie waren die letzten Tage auf dem Campingplatz in Douz - sind heute mit vollem Gepäck über die Dünenstrecke nach Ksar Ghilane aufgebrochen, inkl. Übernachtung unterwegs. Angesichts der Erfahrungen unserer Ghilane-Fahrer und insbesondere des aktuellen Wetters sicher keine gute Idee.


Sonntag, 10.4.2005, Douz (Sandrosen), 152km

Die vier Ghilane-Fahrer Jörg, Frank, Bernd und Steffen sind noch ziemlich geschafft. Das Wetter ist auch nicht toll, windig, regnerisch, kalt (15°). Drum steht mal wieder was ruhigeres auf dem Programm: Sandrosen, der zweite Versuch (siehe 7.4.2005). Der leichte Regen macht den Sand etwas fester, dafür hat der Sturm die Piste oft bis zur Unkenntlichkeit verweht; stellenweise müssen wir uns kilometerlang durch Dünenfelder wühlen. Nach drei Stunden und etlichen Ein- und Ausgrabereien erreichen wir das Sandrosenfeld. Wir machen eifrig Fotos, pflücken einige schöne Exemplare und spielen an einem ca. 100m hohen für unsere Motorräder unbezwingbaren Kamm aus weißem Sand.

Abends wieder in Douz, Kriegsrat: Bernd und Steffen haben genug Sand gesehen und werden gemütlich Richtung Küste zum Baden fahren. Stephan und Roli machen einen Tagesausflug nach El Hamma. Jörg, Frank und ich werden die nächsten zwei Tage zum Berg Tembaine, gute 100km südlich Douz, fahren. Eigentlich war der berühmte Rote See noch weiter im Süden unser Ziel. Aber dafür reicht bei Jörg und Frank die Zeit nicht mehr, sie wollen die Fähre Ende der Woche ab Tunis nehmen. Außerdem erscheint uns der Zustand der Pisten und der Dünenfelder, wie wir ihn jetzt erlebt haben, nicht geeignet dieses Untenehmen zu wagen. (Der Zustand widerspricht all unseren Erfahrungen der letzten Jahre und rührt wohl vom ungewöhnlich schlechten Wetter her.)


Montag, 11.4.2005, Douz, 52km

Ein rabenschwarzer Tag usw. usw.

Der Reihe nach: Jörg, Frank und ich packen das nötigste für eine Übernachtung am Tembaine ein, verabschieden uns von den anderen und legen los. 25km nach Douz passiert es dann: Jörg verschwindet ca. 100m vor mir über eine kleine Kuppe, hinter der sofort eine mächtige Sandwolke aufsteigt. Wie ich hinkomme, sehe die Bescherung: Eine lange verspurte Tiefsandgrube, an deren Ende Jörgs Motorrad liegt. Nur Jörgs Beine sind zu sehen, der Rest liegt unter der Maschine, sein Kopf ist unter dem Kofferträger eingeklemmt. Der Helm hat ihm da wohl das Leben gerettet. Als Frank und ich das Motorrad anheben, befreit er sich recht behände aus seiner Situation. Im Kopf ist er klar, kann alles bewegen, hat aber heftige Schmerzen im rechten Knie. Hoffentlich nichts gebrochen, aber wohl etliche Bänder gerissen. Nach Jörgs Erinnerung ist das Motorrad nach dem Sturz auf ihn gefallen und hat ihm dabei das Bein um 180° verdreht.

Frank fährt zurück nach Douz, um Hilfe zu holen, ich bleibe mit Jörg, dem es den Umständen entsprechend recht gut geht, an der Unfallstelle. Ein aus Richtung Douz vorbeikommender Safari-Jeep ist keine große Hilfe, ist nicht bereit umzukehren und Jörg ins Krankenhaus zu bringen. Man bietet uns an, nach Hilfe zu telefonieren. Sehr witzig! Hätten wir Handyempfang, hätten wir das längst selber getan. Nach eineinhalb Stunden kommt Frank mit einem Pickup im Schlepptau. Gemeinsam hieven wir das Motorrad auf die Ladefläche und Jörg ins Führerhaus. Zurück nach Douz, zur Urgence. Das bekannte Spiel kann von neuem beginnen, diesmal aber in verschärfter Form.

Nach dem üblichen Papierkrieg (die Krankenschwester sorgt für Jörgs neuen Spitznamen: Aus Jörg Jünger stammelt sie „George Jungler“ zusammen) macht der Arzt eine Röntgenaufnahme und meint dann, die endgültige Diagnose und ggf. Behandlung muß der Spezialist im Krankenhaus im 50km entfernten Kebili entscheiden. Während wir auf den Krankenwagen warten taucht ein Herr von der garde nationale auf und konfisziert Jörgs und Franks Pass. Wir können sie „später“ wieder abholen. Ich habe meinen gottseidank im Hotel vergessen.

Nicht vergessen werde ich dagegen die Fahrt nach Kebili. Zunächst muß ich aus dem „Krankenwagen“ wieder aussteigen und nochmal ein Formular ausfüllen, diesmal für mich, sonst darf ich nicht mitfahren. Dann geht’s los, im Laderaum eines japanischen Minivan aus den frühen 80ern, dessen Fahrwerk schon bei Tempo 70 bedenklich schwankt. Das hindert den Fahrer nicht daran, mit 120 über das enge, immer wieder sandverwehte Landsträßchen zu schaukeln. In Kebili dürfen wir erst mal in einem leeren Krankenzimmer platznehmen bzw. -liegen. Der Papierkrieg wird durch unsere fehlenden Pässe nicht gerade erleichtert. Gelegentlich schauen verschiedene wichtig wirkende Herrn in weißen Kitteln rein und stellen mehr oder weniger sinnige Fragen, z.B. ob Jörg Schmerzen hat, oder wie sein Vater heißt. Ich muß u.a. Auskunft über meinen Geburtsort und meine Reiseroute geben. Das alles wird sorgfältigst in der Krankenakte vermerkt. Da es Jörg inzwischen besser geht, lachen wir jedes Mal, wenn ein solcher Herr das Zimmer wieder verlassen hat, herzhaft über diese kabaretreifen Einlagen. Schließlich kommt der richtige Arzt, der sich dadurch auszeichnet, keinen weißen Kittel zu tragen und ordentlich Französisch zu sprechen. Nach eingehender Untersuchung meint er, nix gerissen oder gebrochen, nur überdehnt, und bittet mich in sein Sprechzimmer zur Fortsetzung des Papierkrams. Das ganze dauert, weil mal wieder die obligatorische aber nette Plauderei über Gott und die Welt fällig ist. Auf dem Rückweg brettert unser Fahrer wieder Formel-1 reif durch die Wüste und wird prompt von einer Militärkontrolle angehalten. Scheiße, denke ich, wir haben ja keine Pässe mehr. Interessiert sie aber weniger. Es gibt drei Minuten Schreierei, die, wie Jörg sich ausdrückt, unser Fahrer wohl „gewonnen“ haben muß, denn wir dürfen ohne Papierkram oder Bakschisch weiterfahren.

Wieder im Hotel ist jetzt Frank dran. Denn neben Jörgs Paß ist seiner beschlagnahmt und nicht meiner. Also macht er sich auf, die Pässe zu holen, schließlich ist jetzt ja „später“. Nach einer Stunde ist er wieder da, ohne Pässe. Bei der garde nationale, wo er sie hätte holen sollen, waren sie nicht mehr, man schickt ihn zur garde frontiere. Die haben tatsächlich die Pässe. Über deren Herausgabe muß aber wieder irgendeine andere garde entscheiden. Ein officier fährt mit den Pässen und Frank im Schlepptau quer durch Douz zur nächsten garde, wo aber der Oberchef, ohne den nix geht, gerade auf wichtiger Mission in Matmata ist. Immerhin wird versprochen, er würde abends noch im Hotel vorbeikommen, tut er dann aber nicht.

Jörgs Moped ist Schrott, außerdem traut er der optimistischen Diagnose des Arztes nicht. Drum stürzt er sich zwecks Heimtransport in den Kampf mit der deutschen Bürokratie. Ruft mehrmals den ADAC an, wird mehrmals zurückgerufen und muß immer wieder irgendwelche Angaben machen, die dann sorgfältigst aufgenommen werden. Ich darf zwischenzeitlich noch den Bericht des Arztes aus Kebili nach Deutschland faxen, wobei sich Abdouh, unser Hotelier als große Hilfe erweist. Nachts in Douz ein funktionierendes Fax aufzutreiben, ist nicht ganz einfach.

Genug für heute, gute Nacht!


Dienstag, 12.4.2005, Douz

Tagesprogramm: Die Pässe müssen wieder bei, und Jörg samt Moped muß weg.

Nach einiger Telefoniererei von Abdouh taucht ein Herr mit den Pässen auf. Ausnahmsweise mal ein unfreundlicher Tunesier, liegt vielleicht daran, dass er sich alle Mühe gibt, wichtig zu wirken. Er legt jedem von uns dreien ein Blatt Papier hin und bedeutet uns, unsere persönlichen Daten sowie einen Unfallbericht zu schreiben. Das ganze auf Deutsch! Gleichzeitig verfasst er mehrere Seiten auf Arabisch. Am Ende müssen wir sein Geschreibsel gegenzeichnen. Keine Ahnung, was ich da unterschrieben habe, vielleicht bin ich jetzt ja Al-Quaida Mitglied oder kriege demnächst ne 30-bändige Koranausgabe nach hause geliefert. Dann gibt’s endlich die Pässe zurück.

Jörg telefoniert mehrmals mit dem ADAC und soll schließlich auf den Rückruf eines Agenten aus Tunis warten. Noch bevor der sich meldet, taucht ein Pickup der „Sahara-Assistance“ auf, der Jörgs Moped samt Gepäck aufnimmt. Von Jörg weiß er nichts, der Agent hat nichts gesagt. Also bleibt Jörg erst mal im Cafe des Hotels sitzen. Ich geh hoch aufs Zimmer, Frank, Stephan und Roli schlendern durch den Ort. Ne halbe Stunde später ist Jörg plötzlich weg. Im Cafe sagt man uns, der Pickup-Fahrer habe unterwegs einen Anruf aus Tunis bekommen, sei wieder umgekehrt und habe Jörg dann doch mitgenommen. (Die Ärzte in Deutschland haben später über diesen Transport die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen; Jörg hätte auf jeden Fall einen speziellen Krankentransport gebraucht. Egal, er hats letztlich ohne Folgeschäden überstanden, siehe ganz unten.)


Mittwoch, 13.4.2005, Douz – Ksar Ghilane, 146km

Frank fährt heute Richtung Kairouan, um dort Bernd und Steffen wiederzutreffen, alle wollen am Freitag in Tunis auf die Fähre.

Übrig bleiben Stephan, Roli und ich, wir nehmen die sog. Pipeline-Piste zur Oase Ksar Ghilane. Die Pipeline-Piste ist in etwa dem Zustand, den ich von vor fünf Jahren in Erinnerung habe. In den Senken etliche verspurte Sandverwehungen, die zu einigen harmlosen Umfallern führen, aber nix wildes. Nach den Erfahrungen der letzten Tage habe ich mir schlimmeres vorgestellt. In Ksar Ghilane angekommen, hüpfen wir erst mal in den warmen, schwefelhaltigen Quellteich der Oase und quartieren uns dann im Camp direkt am Teich ein. Unfreundlich, teuer, schlechtes Essen.

Abends noch Sonnenuntergangs-Fotoshooting in den Dünen.


Donnerstag, 14.4.2005, Ksar Ghilane – Tataouine, 104km

Morgens machen wir uns ohne Gepäck auf den Weg zur Ruine des alten Ksars in den Dünen außerhalb der Oase. Nach unseren bisherigen Erfahrungen und den Erzählungen anderer Ghilane-Fahrer machen wir uns auf drei Stunden Ein- und Ausgraben gefasst. Aber weit gefehlt: Die Strecke ist nur mäßig verspurt, der Sand ist fest. Macht soviel Spaß, dass wirs gleich zweimal fahren. Beim obligatorischen Fotoshooting gibt dann leider mein Foto sandbedingt auf.

Um die Mittagszeit brechen wir auf zu unserer nächsten Station, Tataouine. Wir folgen der im RKH-Führer beschriebenen ca. 100km langen Pisteroute P8 über Guermassa, eine der lanschaftlich schönsten Etappen dieser Reise. Beginnt in der Sahara, dann durch Steppe, schließlich in die karstigen Dahar-Berge mit kleinen saftig grünen Taloasen. Insgesamt recht problemlos zu fahren.

In Tataouine gehen wir ins „Hamsa“, sehr einfach, aber sauber und freundlich. Abendessen im benachbarten lizenzierten (=alkoholberechtigten) „La Gazelle“; Ambiente und Preise etwas gehoben, aber in Ordnung. Roli bringt vorher noch einen Klopper: Kann das Abendessen nicht abwarten und schmeißt im Hotelzimmer seinen Benzinkocher für ne Tütensuppe an!


Freitag, 15.4.2005, Tataouine (Dahar-Gebirge), 273km

Rundfahrt durchs Dahar-Gebirge, viele verfallene Berberstädte zu bewundern. Als erstes Chenini. Wir wissen, dass es irgendwo einen Parkplatz gibt, von dem aus man den Hügel mit den Ruinen besteigen muß. Von unten sehen wir auch schon Heerscharen von Touristen bei diesem Unterfangen. Wir versuchen, auf eigene Faust mit den Motorrädern einen Weg nach oben zu finden, kommen aber auch nicht viel weiter. Und mit den dicken Klamotten und schweren Stiefeln tun wir uns das zu Fuß nicht an. Also weiter zum zweiten Versuch: Guermassa, ca. 20km nördlich. Die Auffahrt zu alten Stadt führt durch ein wunderschönes Seitental. Wir machen einige Fotos, stiefeln aber nicht weiter rum, denn es ist inzwischen schon ziemlich heiß (später dann bis zu 38°). Mittagspause in Beni Kadeche, weiter zum verfallenen Ksar el Hallouf. – Ksare sind festungsähnliche Anlagen, die sowohl als Schutzburgen als auch als Kornspeicher dienten. Seit meinem letzten Besuch vor fünf Jahren macht sich in Ksar el Hallouf ganz zaghaft der Tourismus breit: Einige der höhlenartingen Räume sind „renoviert“, man kann hier übernachten. Außerdem gibt’s ein kleines Cafe und als Fotomotiv eine Olivenmühle. – Ab hier bis zu unserem Tagesziel Matmata kommen fünfzig abwechslungsreiche Pistenkilometer; überwiegend Schotter, durch die Berge, kleine Ebenen, viele Oueddurchfahrten. In Matmata trinken wir Tee und besuchen ein kleines Berbermuseum.

Zurück über die nette, teilweise recht kurvige Haupstraße nach Medenine. Von dort nach Tataouine ists dann ziemlich langweilig, mal abgesehen von den Polizisten, die von uns unbedingt wissen wollen, an welcher Rallye wir teilnehmen.


Samstag, 16.4.2005, Tataouine (Ausflug nach Ben Guardene), 202km

Ausflug nach Ben Guardene. Wir suchen eine kleine Asphaltstraße, die nach Osten aus Tataouine rausführen müsste, finden aber den entsprechenden Abzweig nicht, schottern mehrmals umliegende Hügel hoch, um uns einen Überblick zu verschaffen, fragen Leute nach dem Weg. Bis wirs am Ende geschafft haben, ist fast eine Stunde rum. Zunächst geht’s durch hügeliges Gelände, dann immer schnurgeradeaus bis Ksar Aoun. Eine der größten Anlagen ihrer Art, aber stark verfallen und sandüberweht. Heute ist übrigens nach mehreren Tagen mit ruhigem sehr warmen Wetter wiedermal kühler, heftiger Sandsturm. Weiter in Richtung Osten müssen wir uns dann irgenwann verfahren haben, jedenfalls landen wir in Mourra, viel weiter südlich als erwartet. Die Straße ist hier zu Ende. Das GPS zeigt 50km nach Norden bis Ben Guardene. Wir riskieren es trotz Sandsturm und folgen einer kleinen Piste in die Steppe, kommen an etliche Abzweigungen, verlassen uns auf unser Gefühl und sind eine abwechslungsreiche Stunde später in Ben Guardene. Ein ziemlich trostloser Ort nahe der lybischen Grenze, an dem uns nichts lange hält. Über die Hauptstrasse zurück nach Tataouine.

Tagsüber macht Tataouine einen ähnlich lebendigen Eindruck wie Douz, mit Einbruch der Dämmerung stirbt der Ort aber schlagartig aus. Gestern haben wir bereits mehrere im Reiseführer beschriebene Restaurants nicht gefunden und sind wieder im „Gazelle“ gelandet. Heute ereilt uns ein ähnliches Schicksal, was nicht zuletzt daran liegt, daß unser Stadtplan eine eher freie Interpretation der Realität darstellt. Wir landen schließlich im „La Medina“. Nicht so toll.

Morgen solls zum relaxen nach Djerba gehen. Kann ich mich langsam mit anfreunden. Mein Handgelenksonnenbrand hat sich ziemlich übel entwickelt, so dass ich inzwischen Brandsalbe benutzen muß, mein rechtes Auge ist zugeschwollen, keine Ahnung warum, Sonne, Sand, Insektenstich? Außerdem mag mich heute mein Kreislauf nicht. Zeit für eine Pause.


Sonntag, 17.4.2005, Tataouine (Ksar Ouled Soltane), 55km, Tataouine – Aghir, 132km

Wir fahren nicht direkt nach Djerba sondern zunächst Richtung Süden. Stephan hat was von einem ausnahmsweise mal ordentlich restaurierten Ksar einige Kilometer südlich von Tataouine gelesen. Ksar Ouled Soltane befindet sich tatsächlich in einem hervorragenden Zustand. Die Anlage ist recht klein, dafür aber dreistöckig (sonst: zweistöckig) und vermittelt einen lebendigen Eindruck von früheren Zeiten.

Mittags dann Richtung Djerba. Ziemlich langweilige 130km durch Steppe und Salzseen sowie über den alten noch aus Römerzeiten stammenden Damm, der die Insel mit dem Festland verbindet; ist aber kein Foto wert. Unser Ziel ist der Strand von Seguia nahe Aghir im Osten der Insel. Hier soll alles noch etwas ursprünglicher sein als im Norden. (Die Betonung liegt auf „etwas“). Wir kommen in einer Clubanlage namens „La Castille“ unter.

Abends stellen wir fest, dass auf Djerba noch absolute Vorsaison ist. Die Hotels sind fast leer, wir haben nicht „all inclusive“ genommen, nur Frühstück, und finden am gesamten Strand kein offenes Restaurant. Nur einen kleinen Straßenimbiss. Lecker, aber extrem kompliziert. Wir haben in den letzten Wochen schon viele für europäische Begriffe trottelige Kellner erlebt. Aber hier bedarf es 4 Bestellungen um am Ende die gewünschten 3 Brick, 1 Sandwich und 2 grill mixte zu bekommen. Dafür gibt’s als Entschädigung einen Salat und den abschließenden Tee umsonst.

Am späteren Abend noch ein bischen grinsen im Hotel. Zehn AnimateurInnen mühen sich mit den einzigen Gästen, zwanzig Rentnerpaaren und deren Enkeln, so etwas wie Discoatmosphäre auf die Beine zu stellen.


Montag, 18.4.2005, Aghir

Ausspannen am Hotelpool, das Meer ist noch viel zu kalt, ansonsten sind die Tage auf Djerba sonnig, um die 25°, aber mit eisigem Wind. Abends nehmen wir uns ein Taxi in die Inselhauptstadt Houmt Souk. Dabei kommen wir auch am Nordstrand der Insel vorbei („Sidi Mahres“), wesentlich belebter, in der Vorsaison sicher die bessere Wahl. Abendessen im „de l’Ile“ gehobene Preise, aber auch gehobene Qualität und Ambiente.


Dienstag, 19.4.2005, Aghir (Inselrundfahrt Djerba), 99km

Morgens eine komplette Inselrundfahrt, ca. 100km in drei Stunden, inklusive der vsl. letzten Off-Road-Etappe unserer Reise (20km Piste im Westen der Insel). Nett, unspektakulär. Mittags noch mal einige Stunden Pool. Abends wieder Houmt Souk. Bummeln, Fotos im Sonnenuntergang. Houmt Souk erinnert insgesamt mehr an eine griechische Inselstadt, denn an Afrika. Weiße Zuckerwürfelhäuschen mit blauen Fenstern, auch die Geschäfte und das Auftreten der Menschen hat etwas südeuropäisches.


Mittwoch, 20.4.2005, Aghir – Kairouan, 343km

Anfang der Rückreise. Quer durchs Inselinnere, mit der Fähre bei Ajim wieder aufs Festland. Anschließend 300 langweilige Schnellstrassenkilometer. In Kairouan gehen wir ins Hotel „Tunisia“, freundlich und sauber. Abends noch ein kleiner Bummel durch den Souk und ein gutes Abendessen im „Karawan“.


Donnerstag, 21.4.2005, Kairouan – Sidi Bou Said, 180km

Der Geburtstag des Propheten, ein Feiertag. Dummerweise haben an diesem Tag alle Moscheen für Touristen geschlossen. Auch im Souk geht es eher ruhig zu. Unser geplantes Tagesprogramm verkürzt sich dadurch drastisch, Sightseeing ist nicht.

Das Bergland zwischen Kairouan und Tunis ist, der Jahreszeit angemessen, satt grün, alles blüht. So kommt fast Voralpenlandstimmung auf. Wir landen in Sidi Bou Said, einem Villenvorort von Tunis. Hier kenne ich noch von meinem letzten Tunesienaufenthalt ein nettes kleines Hotel („Bou Fares“), das aber recht schwierig zu finden ist. Nach Befragung etlicher Einheinischer, inklusive eines Verkehrspolizisten, bleibt uns offensichtlich nichts anderes übrig, als durch die Fußgängerzone (Fußgängerzone!!! Europa fängt also schon kurz vor Tunis an!) der Altstadt zu fahren. Die verengt sich schließlich zu einem schmalen, steil bergauf führenden Gäßchen mit Treppenstufen. Vor den Augen etlicher kopfschüttelnder Touristen beweisen wir ein letztes Mal, wozu eine ausgewachsene Wüstenenduro fähig ist.


Freitag, 22.4.2005, Sidi Bou Said / Tunis – Genua

Auf dem Weg zum Hafen vertanken wir unsere letzten Tunesischen Dinars. Die Abfertigung in Tunis ist zwar komplizierter als in Genua, geht aber schneller. Wir hatten in den letzten Tagen die Wettervorhersage für Mitteleuropa beobachtet und die besagt nichts gutes. Also versuchen wir ein Shuttle ab Genua zu organisieren. Am Ende klappts mit „Bike-In-A-Box“, dem Transporteur, mit dem wir auf der Hinreise schon gute Erfahrungen gemacht haben. Die „Carthage“ ist brechend voll, da in Marseille die Hafenarbeiter streiken, und, wer nach Europa will, die Genua-Fähre nehmen muß.


Samstag, 23.4.2005, Genua – München

Die Überfahrt ist sehr ruhig, aber in Genua schüttet es aus Kübeln. Die Idee mit Bike-In-A-Box war also nicht schlecht. Rupert, der Fahrer, ist pünktlich da, hat seinen Bus inzwischen noch etwas ausgestattet (bei unserer Hinfahrt war er nagelneu), u.a. mit Videoanlage zum Urlaubsfotos gucken.

Mitternacht, zu hause, das wars!


Donnerstag, 29.12.2005, München

Ein dreiviertel Jahr später komme ich endlich dazu die Tunesien-Reise aufzuarbeiten. Den größten Teil des Tagebuchs habe ich untewegs auf meinem Libretto, den ich zur Navigation dabei hatte, geschrieben. Und das auch noch eher unabsichtlich. Angefangen habe ich eigentlich aus langer Weile an einem unfreiwillig freien Nachmittag nach meinem Krankenhausbesuch mit Uli in Tozeur. Aber dann habe ich mir jeden zweiten oder dritten Abend Zeit genommen und bin dran geblieben. Drum isses auch ziemlich lang geworden. – Einiges habe ich heute nochmal überarbeitet oder aus meiner Erinnerung eingefügt. Explizit zu ergänzen wären noch die Geschichten unserer Verletzten:

In Tunis hat sich ein ADAC-Agent um sie gekümmert, d.h. sie vom Motorradeintrag im Pass befreit und jeweils am selben Abend noch in einen Linienflieger nach Deutschland gesetzt. Die Motorräder kamen dann einige Wochen später per Spedition nach. Alle sind wohlauf und fahren wieder Moped. LC8-Bernd hat man das Schlüsselbein gleich nach seiner Rückkehr in München zusammengeschraubt, die Schraube ist inzwischen wieder raus. Ulis Verletzungen sind ohne weitere Operation verheilt. Jörgs Bänderdehnung hat sich dann doch als mehrfacher Riss und Anriss von Kreuz- und Innenband herausgestellt. Ist aber ohne Operation, mit Schienen, Stützen und Gymnastik inzwischen wieder ok. Seine Africa Twin hat er durch was leichteres ersetzt. Alle anderen schwören weiter auf ihre Dickschiffe...


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